Erklärung

der Planer, Betreiber und Hersteller

von Windenergieanlagen

im Bundesverband WindEnergie

 Nordrhein-Westfalen

 

 

 

Juli 2002

Bundesverband WindEnergie e. V.

Landesvertretung NRW

Teichweg 6

33100 Paderborn

Tel.: 05252-50445

Fax: 05252-52945

 

 

I.        Präambel

 

Der Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) begrüßt die Regelungen und Hinweise des Windenergie-Erlasses der Landesregierung NRW v. 03.05.2002. Um den Aus­bau der Windenergie so weit wie möglich mit den Ansprüchen der Menschen an ein ungestörtes Lebensumfeld in Einklang zu bringen, ist die Einhaltung gesetzlicher Regelungen selbstverständliche Voraussetzung, obwohl diese Re­gelungen die speziellen Aspekte einer sich schnell entwickelnden Technik nicht im­mer zeitnah und abschließend berücksichtigen können.

Bei der Frage, inwieweit die TA-Lärm bezüglich der Schallemissionen von Wind-kraftanlagen sachgerechte Regelungen bietet, wird zum Teil auch die Meinung vertreten, dass die Windkraft mit dieser TA unnötig streng beurteilt wird aus folgenden Gründen:

1.      Der Schall von Windkraftanlagen erreicht anders als z.B. bei Industriebetrieben nur bei starkem Wind, also nur sporadisch den maximalen Pegel.

2.      Entsprechend dem Stand der Technik besteht bei WEA die Schallemission ganz überwiegend aus den windinduzierten Geräuschen der Rotorblätter (Rauschen).
Diese Geräusche sind in der Charakteristik anderen vom Wind verursachten Umgebungsgeräuschen ähnlich.

3.      Die WEA-Geräuschemissionen treten nicht isoliert sondern zeitgleich mit den windbedingten Umgebungsgeräuschen auf und werden, von Sonderfällen abgesehen, von diesen Umgebungsgeräuschen überlagert. Dadurch werden die Wahrnehmbarkeit und die Störungsintensität gemindert.

 

Trotz dieser abschwächenden Effekte empfiehlt der BWE weitergehende Immis-

si­onsminderungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, weil eine ständig weiterentwickelte Technik die Voraussetzung für planerische Optimierungen bietet. Daraus folgt, dass die Empfehlungen und insbesondere die nachstehenden Erläute­rungen nicht statisch betrachtet werden sollten, sondern als ein erster Schritt in ei­nem dialogischen Prozess. Die Landesregierung NRW hat sich nicht nur um eine differenzierte regulatorische Begleitung bei der Markteinführung  der erneuerbaren Energien bemüht, sondern auch um den Dialog mit den Bürgern, die der neuen Technik oft noch mit Ablehnung und Unverständnis begegnen. Der BWE wird sich als Dialogpartner auch in Zukunft aktiv einbringen - allein schon deshalb, weil eine Tech­nik, die von den Menschen nicht akzeptiert wird, keine Zukunft hat. Dafür gibt es ge­nügend Beispiele, auch in NRW.

Der BWE erwartet allerdings auch von den übrigen Teilnehmern Engagement und Dialogbereitschaft. Es bleibt Aufgabe der Politik, die Umstellung des Energiesektors auf nachhaltiges Wirtschaften den Bürgern durch intensive sachliche Aufklärung zu vermitteln. Wenn Energiegewinnung sich nicht mehr zentral und anonym vollzieht sondern dezentral und sehr sichtbar, besteht Erklärungsbedarf. Die Aufklärung kann nicht in der Suggestion münden, es gäbe eine Energietechnik, die in der Steckdose anfängt. Auch wenn die erneuerbaren Energien den allergrößten Teil der Umwelt­schäden in der Energiewirtschaft vermeiden, bleibt ein Rest an ästhetischen und akustischen Wirkungen, die zugemutet werden müssen.

 


II.         Empfehlungen

 

 

Der Bundesverband WindEnergie e.V. empfiehlt den Planern, Betreibern und Herstellern von Windenergieanlagen in NRW, bei der Planung und Realisierung von Projekten, über die im Windenergie-Erlass v.03.05.2002 gegebenen Hin­weise und die dort genannten gesetzlichen Vorschriften hinaus, folgende Punkte zu berücksichtigen:



1.      Einzeltonhaltige Geräusche
Obwohl es inzwischen technisch vermeidbar ist, dass Windenergieanlagen ein­zeltonhaltige Geräusche mit Fernwirkung (z.B. motorähnliches Brummen) emittie­ren, kommt dies bei einigen Anlagentypen immer noch vor. Selbst bei Einhaltung der TA-Lärm-Richtwerte  werden diese Geräusche oft als störend empfunden, weil sie sich deutlich von den anderen durch Wind verur­sachten Geräuschen an Bäumen, Gebäuden und Rotorblättern abheben.

Empfehlung:
Es sollen keine WEA errichtet werden, die am Immissionsort einzeltonhaltige Immissionen verursachen.

2.      Veröffentlichung von Messergebnissen
Nach der Errichtung von WEA werden in kritischen Fällen im Auftrag der Betrei­ber Nachmessungen gemacht, z.B. wenn vom entsprechenden WEA-Typ bisher nicht genügend Messergebnisse vorliegen. Anhand der Nachmessung soll die Einhaltung der Immissionswerte überprüft werden.

Empfehlung:

Die Ergebnisse der Nachmessungen sollen öffentlich gemacht werden. Zur Kontrolle darüber, dass die WEA während der Nachmessung auf den regulären Betriebsmodus eingestellt ist, soll der Betreiber dem Messinstitut die Betriebs-daten (Zeitreihen der Windgeschwindigkeit, Leistung, Drehzahl) offenlegen.

3.      Sicherstellung der Nachtruhe bei Prototypen
Entsprechend der Entwicklung der Anlagentechnik kommen immer wieder neue Anlagentypen auf den Markt. Diese haben zunächst nur berechnete Schallemis­sionswerte, die durch Messungen vor Ort überprüft werden müssen.

Empfehlung:
Anlagen, für die noch kein Messbericht vorliegt, sollen bis zur Vermessung nachts so betrieben werden, dass die errechnete Immission am Immissionsort den zu­lässigen Grenzwert um einen erhöhten Sicherheitsabschlag von insgesamt 6 dB unterschreitet.

4.      Schalltechnische Behandlung von Tal-Lagen
In bestimmten Tal-Lagen können Immissionen, auch wenn die TA-Lärm-Pegel eingehalten werden, deutlicher wahrgenommen werden, wenn an diesen Orten die windbedingten Umgebungsgeräusche nur schwach ausgeprägt sind.

Empfehlung:
An Immissionspunkten in Tal-Lagen, an denen der WEA-Schallpegel durch Windgeräusche nur gering überdeckt wird, sollen um 2 dB niedrigere Werte als nach TA Lärm zulässig eingehalten werden.

5.      Messdaten der Bauämter und Staatlichen Umweltämter
In Einzelfällen veranlassen Behörden im Rahmen von Genehmigungsverfahren vor Ort Messungen von WEA-Schallemissionen bzw. führen  staatliche Umweltämter Immissionsmessungen durch. Die Messberichte wer­den bisher nicht veröffentlicht, so dass es keine Transparenz gibt hinsichtlich der Fragen: Wie oft werden TA-Lärm-Richtwerte überschritten, gibt es dabei anlagen­spezifische Häufungen, müssen weitere anlagenspezifische Aspekte ggf. neu bewertet werden?

Empfehlung:
Der BWE erklärt sich bereit, alle ihm bekannt gegebenen Schallpegelwerte von WEA-Typen Betreiber-anonymisiert zu veröffentlichen, insbesondere auch die Er­gebnisse der Nachmessungen an bestehenden Standorten. Der BWE bittet die Behörden um Weitergabe der ihnen vorliegenden Messdaten, soweit dies daten­schutzrechtlich möglich ist.
Der BWE bietet an, fachliche Auskünfte zu erteilen und steht für Fragen von Bür­gern zur Verfügung. Soweit der BWE aus der eigenen Kenntnislage die Fragen nicht abschließend beantworten kann, werden die örtlich zuständigen Überwa­chungsbehörden über die Anfragen unterrichtet. Der BWE erwartet, dass die Überwachungsbehörden den BWE über die abschließende Beantwortung der Anfrage unterrichten.

 

6.      Schattenwurf
Entsprechend der aktuellen Richtlinien ist eine Beschattung von Wohnbereichen durch den Schattenwurf von Rotorblättern bis zu 8 Stunden im Jahr und 30 Minuten pro Tag zulässig.

Empfehlung:
Der BWE empfiehlt, die Richtwerte des Windenergie-Erlasses vom 3.5.2002 nicht auszuschöpfen, sondern die WEA so zu planen und zu betreiben, dass möglichst eine Beschattungszeit nahe Null erreicht wird.

7.      Beteiligung der Bürger
Der Bauminister hat die Kommunen ausdrücklich dazu aufgefordert, von ihrem Planungsrecht Gebrauch zu machen. Dabei sollen die Bürgerinnen und Bürger so früh wie möglich informiert und gehört werden, um die Planungsprozesse aktiv mitgestalten zu können
Leider machen nicht alle Gemeinden von ihrem Planungsrecht im Bereich Wind-kraft Gebrauch und leider bemühen sich nicht alle Planer um eine ausreichende Information und Abstimmung mit den Anliegern.

 

Empfehlung:
Sofern aufgrund fehlender gemeindlicher Planung Anwohner über Vorhaben von Windprojekten nicht informiert sind, sollen die Planer die Anwohner rechtzeitig informieren, die Planungen nach Möglichkeit mit ihnen abstimmen und ihnen eine Beteiligung an den Projekten anbieten.

 

8.    Regelmäßiger Fachdialog

       Der BWE regt an und erklärt sich bereit, regelmäßig - aber mindestens einmal jährlich - ein Fachgespräch mit dem Landesumweltamt in Essen über die vorlie­gende Datenlage zu führen und Ergebnisse und Bewertungen von Messungen - soweit von allgemeinem Interesse - auszutauschen.

 

 

III.        Erläuterungen

 

 

Entgegen häufig formulierter Erwartungen empfiehlt der BWE nicht pauschalierte Abstände zwischen WEA und Wohngebieten. Eine Pauschalregelung wird den unterschiedlichen Vor-Ort-Bedingungen selten gerecht, sie ist im Zweifel immer falsch.

Es ist Aufgabe der Gemeinden, für ihr jeweiliges Gebiet eine angepasste Planung mit ausführlicher Bürgerinformation und Beteiligung durchzuführen. Im Rahmen der Bauleitplanung  können die Gemeinden aus städtebaulichen Gründen sachgerecht, d.h. unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und differenziert nach der Schutzwürdigkeit, Abstände zur Wohnbebauung festsetzen. Der BWE kann keine Verantwortung für Probleme übernehmen, die dadurch entstehen, dass Gemeinden von ihrer Planungszuständigkeit keinen Gebrauch machen.

 

Zu den Empfehlungen im Einzelnen:

 

Zu 1.

Die Messergebnisse zur Tonhaltigkeit, die mit Nahbereichsmessungen erhoben wer­den, lassen sich nicht in allen Fällen auf die relevanten Immissionsorte umrechnen.

In Zweifelsfällen sollen deshalb zur Feststellung, ob eine Anlage eine immissionsrele-
vante Tonhaltigkeit aufweist, Messergebnisse aus Messungen außerhalb des Nah-
bereichs herangezogen werden.

 

Zu 3.

Der Grenzwertabstand von 6 dB kann bei drehzahlvariablen Anlagen durch eine schallreduzierte Betriebsweise, bei Stallanlagen durch einen Betrieb in der niedrigen Drehzahlstufe oder für beide Maschinentypen ggf. durch Abschalten erreicht werden.

Die anrechenbare Absenkung bei erniedrigter Drehzahl beträgt max. 6 dB. Falls das zur Einhaltung des empfohlenen Grenzwert­abstandes rechnerisch nicht ausreicht, soll bis zur Vermessung nachts abgeschaltet werden.

Als Anlagen, für die noch kein Messbericht vorliegt, gelten neu auf den Markt kom­mende Anlagentypen bis zum Vorliegen des ersten Messberichts. Dazu gehören auch erhebliche Änderungen an bestehenden Anlagentypen, sofern zu erwarten ist, dass diese Änderungen deutlichen Einfluss auf das Schallemissionsverhalten des Anlagentyps haben. Eine erhebliche Änderung des Anlagentyps ist z.B. der Einsatz neuer Rotorblatttypen, ein neues Triebstrangkonzept oder eine andere Turmbauart. Keine erhebliche Änderung ist z.B. eine Änderung in der Nabenhöhe.

Der Sicherheitsabschlag von 6 dB soll nicht additiv zu sonst bereits berücksichtigten Abschlägen ausgelegt werden, sondern als ggf. auf insgesamt  6 dB erhöhter Ab­schlag.

Wird die neue Anlage in einem Gebiet errichtet, in dem für die Immissionsprognosen andere schon bestehende Anlagen berücksichtigt werden müssen, soll die Absen­kung so vorgenommen werden, dass die rechnerisch für diese neue Anlage zuläs­sige Immission um 6 dB unterschritten wird. (Z.B.: Ein vorhandener Windpark immit­tiert am relevanten Punkt nachts 42 dB. Dann darf die neue Anlage rechnerisch ebenfalls 42 dB an diesem Punkt immittieren, um eine Gesamtimmission von 45 dB einzuhalten. Die nächtliche Pegelabsenkung für die unvermessene Anlage wäre dann auf 42 dB – 6 dB = 36 dB Immissionspegel auszulegen.)

 

Zu 4.

Als Tal-Lagen im Sinne dieser Empfehlungen gelten Immissionspunkte, die um 50 m niedriger liegen als der Standort der nächstgelegenen WEA. Bei der Planung solcher Standorte soll der TA-Lärm- Grenzwert abzüglich 2 dB Abschlag zu Grunde gelegt werden. Bei der Planung kann die schalloptimierte Betriebsweise zugrunde gelegt werden. Wenn vor, während oder nach der Planung durch eine Hintergrundge­räuschmessung am Immissionsort festgestellt wird, dass die Hintergrundgeräusche für alle Windgeschwindigkeiten mindestens genauso hoch sind wie der maßgebliche Immissionsgrenzwert der TA-Lärm für diesen Ort, ist der Abschlag von 2 dB nicht erforderlich.
Es ist anzumerken, dass mit dieser Empfehlung nicht ein in der TA-Lärm unvorher­gesehener Fall geregelt werden soll. Es ist vielmehr so, dass bei der Festsetzung der Richtwerte der TA-Lärm hinsichtlich der Zumutbarkeit generell der Fall unterstellt wurde, dass die Immissionen nicht durch Hintergrundgeräusche vor Ort überdeckt (maskiert) sind. Die Empfehlung, bei Planung und Betrieb von WEA nicht nur den Immissionspegel sondern den Grad der Maskierung der Immissionen durch natürli­che Umgebungsgeräusche mit einzubeziehen, geht deutlich über die Art und das Maß der Anforderungen der TA-Lärm hinaus.

 

Zu 6.
Eine Schattenwurfzeit von 8 h im Jahr und 30 Minuten pro Tag ist im Zusammenhang mit der Erstellung der Schattenwurfrichtlinie durch Untersuchungen und Befragungen als verträglich und zumutbar ermittelt worden. Da heute technische Einrichtungen zur Minimierung der Schattenwurfzeiten verfügbar sind, empfiehlt der BWE, den Richt­wert möglichst nicht auszuschöpfen, sondern die Abschaltautomatik so einzustellen, dass die Beschattung von Wohnanlagen möglichst gering ist. Eine definitive Grenz­wertfestsetzung einer Null-Immission der Schattenwurfzeit würde einen unverhält­nismäßig hohen technischen Aufwand erfordern (Redundante technische Auslegung und extreme Präzisierung, bzw. hohe Distanzzeiten).

Soweit in Zukunft Einrichtungen verfügbar sind, die Anliegern von WEA ermög­lichen, per Fernwirkung für die Zeit des Schattenwurfs die betreffenden Anlagen still zu setzen, würde der BWE die Anwendung solcher Einrichtungen begrüßen.